Perspektive (2)

Teleobjektive, Weitwinkel

1. Januar 2002, 00:00:01 Uhr:

„Teleobjektive komprimieren Bilder in der Tiefe”

Natürlich tun sie das nicht. Mit den folgenden Bildern lässt sich das verdeutlichen:

Bild 1: Aufnahme mit 20mm BrennweiteBild 2: Ausschnitt aus Bild 1Bild 3: Aufnahme mit 100mm Brennweite

Alle Bilder wurden von exakt dem gleichen Standpunkt aus gemacht. Wenn nun das Teleobjektiv die Tiefe komprimieren würde, müsste dann Bild 3 nicht deutlich anders aussehen als der Ausschnitt aus Bild 1? Tut es aber nicht (abgesehen von der Schärfe). Was haben nun Bild 2 und 3 gemeinsam, dass sie die gleiche Perspektive zeigen? Ganz einfach, die Objekte sind relativ weit vom Betrachter entfernt. Alleine das lässt die Tiefe komprimiert erscheinen. Der Abstand des Betrachters ist relativ groß im Vergleich zum Abstand der Objekte zueinander. Das rückt die Objekte scheinbar nahe zusammen.

Alles ein Trick? OK, probieren Sie es mit dem bloßen Auge. Suchen Sie eine Szene wie oben. Konzentrieren Sie sich auf die Objekte in großer Entfernung. Ein leerer Diarahmen auf Armlänge gehalten oder ein mit den Fingern gebildeter Rahmen helfen, den Vordergrund zu ignorieren. Sieht der Ausschnitt in der Tiefe komprimiert aus? Ja, und Sie haben nichtmal ein Fotoobjektiv verwendet!

Warum glauben nun so viele Leute an die Tiefenkomprimierung durch Teleobjektive? Es ist ganz einfach so, dass weit entfernte Dinge meist mit Teleobjektiven aufgenommen werden, einfach um sofort den richtigen Bildausschnitt bei der gegebenen Entfernung zu haben. Der komprimierte Eindruck entsteht aber dennoch nur durch die Entfernung, nicht durch das Teleobjektiv.

Noch ein Beispiel gefällig?

Bild 4: Aufnahme mit 100mm Brennweite

Ganz eindeutig eine Aufnahme mit Teleobjektiv, aber von Tiefenkomprimierung nichts zu sehen (der Hintergrund erscheint relativ weit entfernt). Der Grund: Der Aufnahmeabstand war nur wenige Zentimeter.

Was ist aber nun mit den bekannten Bildserien, in denen mit wachsender Brennweite der Hintergrund immer näher auf ein Objekt im Vordergrund zuzukommen scheint? Was bei diesen Serien nie dabeisteht, ist dass der Fotograf immer weiter zurückgelaufen ist, um das Objekt im Vordergrund in konstanter Größe abzubilden. Es ist dieses Zurücklaufen, das die Perspektive verändert hat, nicht die wachsende Brennweite.

„Weitwinkel betonen den Vordergrund”

Sie ahnen es schon: Weitwinkel betonen den Vordergrund nicht mehr als andere Objektive. Sie bieten lediglich einen weiteren Bildwinkel. Die meisten Weitwinkelobjektive lassen sich zudem auf relativ kurze Entfernungen noch scharfstellen. Wieder ein Beispiel:

Bild 5: Aufnahme mit 20mm BrennweiteBild 6: Aufnahme mit 20mm Brennweite

Beide Aufnahmen entstanden mit dem gleichen Weitwinkel-Objektiv. Bei Bild 6 wird der Vordergrund aber deutlich betont, während Bild 5 eher langweilig wirkt. Der Unterschied: Bild 6 wurde von einem niedrigeren Standpunkt aus aufgenommen und deutlich näher am Vordergrund. Diese Nähe zum Vordergrund betont selbigen. Die kurze Brennweite erlaubt lediglich, trotz dieser Nähe noch viel von der Umgebung in das Bild aufzunehmen.