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Point Reyes

Thursday, April 13th, 2000: Tag 6

Point Reyes ist eine Halbinsel nördlich von San Francisco. Der größte Teil davon ist heute ein Nationalpark. Point Reyes ist etwa dreieckig, mit Tomales Point im Norden, Bolinas im Südosten und dem eigentlichen Point Reyes im Südwesten.

Die Tomales Bay ist eine gerade, mehr als 20 Kilometer lange und nur bis etwa 1 Kilometer breite Bucht. Auch in gerader Linie nach Südosten setzt sich diese Geländeform als Tal fort. Dieser Einschnitt ist nichts anderes als der St. Andreas-Graben. Wäre der Graben im Süden nur etwas tiefer, dann wäre Point Reyes keine Halbinsel sondern eine richtige Insel. Geologisch gesehen gehört Point Reyes nicht einmal zu Nordamerika, sondern zur pazifischen Kontinentalplatte. Point Reyes schrammt auf dieser an der nordamerikanischen Platte entlang nach Nordwesten. So kommt es in der Gegend immer wieder zu Erdbeben. Das letzte große Beben 1906 hat Point Reyes mit einem Schlag um etwa 6 Meter versetzt. Davon kann man sich anschaulich auf dem kurzen Earthquake Trail beim Bear Valley Visitor Center überzeugen. Ein Weidezaun quer zur Grenze der Kontinentalplatten endet abrupt, und wird ein paar Meter daneben fortgesetzt. Auf diesem Weg kann man auch deutlich die unterschiedlichen Gesteine der nordamerikanischen und pazifischen Platte erkennen, jeweils nur wenige Schritte voneinander entfernt.

Point Reyes bietet die unterschiedlichsten Landschaftsformen. Auf der östlichen Seite dominieren grasbewachsene sanfte Hügel. Der Süden ist bergig und mit Nadelwald bewachsen (dort sind Tom und ich schon 1999 gewandert). Die westliche Pazifikküste ist schroff mit wenigen schmalen Stränden. Die Südküste hat breitere Strände, die dem weitflächigen Marschland im zentralen Teil vorgelagert sind.

McClures Beach, Point Reyes

Meinen ersten Tag beginne ich mit dem Nordteil von Point Reyes, also Tomales Point. Kurz hinter Inverness zweigt die Straße dorthin nach Norden von der Hauptstraße ab. Am Ende des befestigten Weges befindet sich eine alte Ranch. Von dort aus gehe ich zunächst den Hang hinunter zum McClures Beach. Es ist ziemlich dunstig, windig und kühl, so daß die richtige Strandatmosphäre nicht aufkommen will. Deshalb gehe ich bald wieder zurück zum Farmhaus, wo der Tomales Point Trail beginnt.

Am Tomales Point Trail-Head, Point Reyes

Der Weg ist fast leer. Wie praktisch immer sieht man nur auf dem Parkplatz ein paar Leute, die zu 95% nicht weiter als ein paar Meter laufen. Wenn man erstmal eine Meile entfernt ist, begegnet man nur selten anderen Wanderern. Dazu kommt heute noch, daß das Wetter nicht so besonders ist.

Der Weg zieht sich ziemlich in die Länge. Auf dem Weg nach Norden kommt man unweigerlich am Tule Elk Reserve vorbei, wo eine Unterart von Rothirschen halbwild gehalten wird. Ansonsten sind beim heutigen Wetter schöne Ausblicke Mangelware. Der Nebel entsteht, wenn die feuchte Meeresluft an der Landspitze in kühlere Luftschichten hochsteigt. Er kriecht dann über das Land, um sich auf der anderen Seite kurz über dem Meer wieder aufzulösen.

Nebel über Tomales Point, Point Reyes, Point Reyes

Ich laufe so den halben Vormittag durch die Nebelbank über Tomales Point. Nachdem keine Besserung des Wetters abzusehen ist, kehre ich um, noch bevor ich das Ende des Weges erreiche. Ich verbringe den Rest des Tages besser auf Meereshöhe, wo sich noch kein Nebel bildet.

Mein nächster Stop ist Abbotts Lagoon. Vom Parkplatz aus laufe ich etwa eine Meile in Richtung Küste. Unterwegs stolpere ich fast über ein paar Leute, die durch das Gestrüpp neben den Weg kriechen und allerlei Pflanzen in ein paar Plastiktüten sammeln. Offenbar wird hier eine Bestandsuntersuchung durchgeführt.

Das Ende des Weges bildet ein Süßwassertümpel, der nur von einer schmalen Sanddüne vom Ozean abgetrennt ist. Hier fühlt man sich plötzlich in eine andere Welt versetzt. Dutzende Frösche im Teich quaken, Rotschulterstärlinge überraschen mit ihrem für europäische Ohren so ungewohnten Gesang, Brillenstärlinge stimmen mit ein, dazu noch

Abbotts Lagoon, Point Reyes

eine Menge Grillen und das Rauschen des Ozeans. Ich stehe auf einem halbmeter breiten Trampelpfad zwischen brusthohen Büschen, und das „Getöse” um mich herum macht mich fast schwindlig.

Schopfwachtel

Ich halte mich eine ganze Weile hier auf und genieße einfach nur die Umgebung. Am Ende vertreibt mich dann aber der unangenehm kühle Wind. Auf dem Rückweg kann ich dann noch eine Schopfwachtel beobachten. Dieser Wachtelvogel ist mir in den letzten Tagen schon öfter (im wahrsten Sinne des Wortes) über den Weg gelaufen. Meistens bemerkt man ihn erst, wenn er aufgeregt über den Pfad rennt in eine andere Ecke des Gestrüpps, wobei die lustige Schmuckfeder auf der Stirn heftig wackelt. Und wo ein Hahn ist können die Hennen nicht weit sein. So folgen fast immer nur Momente später eine oder mehrere weibliche Wachteln.

Dieses Exemplar dagegen ist weniger nervös. Der Hahn sitzt oben auf einem Sagebrush-Busch, beobachtet sein Revier und ruft ab und zu nach seinen Hennen. Obwohl ich nur wenige Meter entfernt bin, flüchtet er nicht sofort und läßt sich stattdessen minutenlang beobachten.

Leider ist es nicht wärmer geworden. Ich reiße mich los und kehre zu meinem Auto zurück, immer darauf achtend, keinen herumkriechenden Biologen zu zertreten.

Friday, April 14th, 2000: Tag 7

Black Mountain, Point Reyes

Mein zweiter Point-Reyes-Tag beginnt außerhalb des Nationalparks, nämlich bei Olema. Durch das Marschland führt ein kleiner Pfad, der leider vom nächtlichen Regen und vom Tau ziemlich matschig ist.

Mein eigentliches Vorhaben heute ist eine Wanderung im Zentralteil von Point Reyes. In der Nähe des Visitor Center zweigt die Limantour Road zum gleichnamigen Strand ab. Zwei Kilometer vor dem Strand parke ich das Auto bei einem Wanderweg, der Muddy Hollow Road. Diese steigt erst kurz an, durch Wiesen und Büsche. Als Estero Trail verläuft sie weiter über den Kamm zwischen den Brackwasserflächen (den „Esteros”). Maultierhirsche suchen zwischen den Büschen Nahrung, und viele Wildblumen stehen gerade in voller Blüte.

Estero de Limantour, Point Reyes

Vom Kamm steige ich wieder hinunter, und prompt wird der Weg beschwerlicher. Der Weg ist ziemlich eingewachsen, und die tiefen Stellen sind feucht. Aber auch dieses Stück ist bald geschafft, und es ist noch ein weiterer Hügel zu überwinden. Danach wird es aber schlimmer. Der Wanderweg „Muddy Hollow Trail” trägt seinen Namen zurecht, er ist ein einziges Matschloch. Kurzerhand entschließe ich mich für einen Umweg. Der Strand ist nur noch ein paar hundert Meter entfernt. Dort lege ich dann hinter der Düne eine späte Mittagspause ein.

Etwas erholt laufe ich am Limantour Beach nach Südosten. Am Strand hinter dem Parkplatz sehe ich heute das erste Mal andere Besucher. Im eiskalten Ozean geht aber niemand schwimmen.

Sculptured Beach, Point Reyes

Am Strand gibt es immer wieder etwas interessantes zu sehen. Strandblumen in großen Kolonien, allerlei Getier in kleinen Gezeitenbecken in steinigen Abschnitten, drei Truthahngeier, die sich um ein angeschwemmtes totes Etwas streiten, steile Felsufer und sanfte Dünen.

Als der Strandbereich immer schmaler wird, nähere ich mich dem Ziel des heutigen Tages. Aus dem Sandboden schauen die glattgeschliffenen Felsen des Sculptured Beach heraus. Sie zeigen immer wieder andere Farbtöne und Formen.

Nach einiger Zeit mache ich mich dann auf den Heimweg. Der Coastal Trail führt erst hinter der Düne nach Westen und dann in einem schattigen Bachtal nach Norden. Er endet fast genau an der Straßenkreuzung mit dem Parkplatz. Dort angekommen zeigt das GPS über 20 Kilometer Weg an, über Hügel und durch matschiges Gestrüpp, über nachgiebigen Sandstrand und mit einigen Felsklettereien, alles mit dem Fotorucksack auf dem Rücken. Kein Wunder, daß ich abends ziemlich geplättet ins Bett falle.

Saturday, April 15th, 2000: Tag 8

Ein Blick aus dem Fenster läßt es schon ahnen: Nachts hat es wieder geregnet, es ist leicht neblig und ziemlich kühl. Keine guten Aussichten für die heutige Planung. Eigentlich wollte ich bis zur Landspitze Point Reyes fahren. Dort hätte ich dann einen guten Ausblick vom Leuchtturm auf den Nebel gehabt, hinter dem als einzige Attraktion vor Monaten Grauwale vorbeigezogen sind. Mit anderen Worten, ich mache mich schon einen halben Tag eher auf den Rückweg nach San Francisco.

Der Highway 1 windet sich wieder malerisch an der Küste entlang. Mehrmals halte ich an, um den Ausblick zu genießen. Leider macht sich die kurvige hügelige Strecke auch negativ im Spritverbrauch bemerkbar. Die Tankanzeige nähert sich immer bedenklicher dem „E”, und die Straße scheint kein Ende zu nehmen. In den kleinen Nestern zwischendurch habe ich keine Tankmöglichkeit gesehen. Ich habe für den Mietwagen die „Empty Back” Option gewählt (großer Fehler!), möchte also den Wagen möglichst leer abgeben, um dem Vermieter keinen Sprit zu schenken. Nun scheint es fast so, als ob das „fast leer” früher als erwartet eintritt.

Mit den letzten Tropfen rette ich mich in Marin City zu einer Tankstelle, die ich auf dem Hinweg gesehen habe. Eine Gallone Benzin erlöst mich vom Stress.

Von Marin City geht es auf dem Highway 101 weiter nach Sausalito. Nach kurzer Suche finde ich dort den kleinen Diner in einer Nebenstraße, in dem wir schon 1998 und 1999 unsere Mittagspause verbracht haben, erhalte also quasi eine kleine Tradition.

Am Nachmittag geht es schließlich weiter auf der 101 über die Golden Gate Bridge (in der gebührenfreien Richtung) nach San Francisco. In diesem Jahr fahre ich allerdings nur durch. Ich durchquere die Stadt und die Hügel südlich davon. In South San Francisco beginne ich mit der Suche nach einer Unterkunft. Die Suche endet erst kurz vor dem Flughafen. Auf dem Zimmer werden noch die Lebensmittelreste verputzt und das Gepäck für den Rückflug umsortiert.

Am Morgen danach gebe ich den Mietwagen am Flughafen ab, und mein Kurzurlaub endet endgültig mit dem Rückflug nach Deutschland.